8. September 2023
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15 Listeriose-Fälle, der Tod eines 85-Jährigens. Das sind die nüchternen Zahlen zu einem Krankheitsausbruch, den bayerische Behörden auf einen Obst- und Gemüsebetrieb im Landkreis Passau zurückführen.
Die Öffentlichkeit hatte von den Ereignissen erstmals im Juli der vergangenen Jahres erfahren, in Gestalt einer positiven Nachricht: In einer Presseerklärung verkündete das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) einen „Erfolg bei Listerien-Ausbruchsermittlung“. Listerien sind Bakterien, die sich auf Lebensmitteln ansiedeln und vor allem ältere Menschen und Schwangere schwer krank machen können. In dem Lebensmittelbetrieb wurden sie nachgewiesen, nebst gravierender Hygienemängel – auf den ersten Blick also ein klarer Fall.
Doch die Geschichte lässt sich auch anders erzählen. Als eine Geschichte von Behörden, die die Hygieneprobleme kannten und den Betrieb dennoch gewähren ließen, über viele Jahre hinweg sogar ohne jede Kontrolle, während kontinuierlich weitere Menschen erkrankten. Eine Recherche über mehr als ein Jahr hinweg konnte die Abläufe des Skandals rekonstruieren: Mit Nachfragen bei den beteiligten Behörden, anhand von amtlichen Dokumenten, die die Ämter aufgrund von Informationsfreiheitsanfragen herausgeben mussten, und mit Auskünften, die ein Ministerium erst erteilte, als ein Gericht eingeschaltet war.
Es ist Freitagnachmittag, der 1. Juli 2022, als das LGL in seiner Presseerklärung zunächst über 13 Erkrankungsfälle in Bayern berichtet. Lange hatten sie Rätsel aufgegeben: Der erste war bereits im Mai 2015 aufgetreten, über acht Jahre kam jedes Jahr mindestens ein weiterer Fall hinzu. Die Mitteilung las sich wie ein Schlussstrich: Alle Infektionen konnten wahrscheinlich „auf eine gemeinsame Ursache zurückgeführt werden“, schrieb das LGL – einen „kleinen Betrieb im Landkreis Passau“ nämlich, in dessen Produktion derselbe Bakterienstamm nachgewiesen wurde wie bei den Erkrankten.
Einerseits also tatsächlich ein Erfolg: Nach acht Jahren war die mutmaßliche Quelle eines verheerenden Ausbruchs gefunden.
Andererseits jedoch die Frage: Hatte es überhaupt soweit kommen müssen?
Bei dem „kleinen Betrieb“, das verriet das LGL zunächst nicht, handelt es sich um die Frischdienst Heinrich GmbH in Ruhstorf an der Rott. Sie verarbeitet Obst und Gemüse für Großküchen, beliefert Heime, Krankenhäuser und „Essen auf Rädern“-Anbieter mit vorgeschnittener Ware.
Die Lebensmittelkontrolleure des Landratsamtes Passau werden bereits vor dem ersten Listeriose-Fall auf das Unternehmen aufmerksam geworden, bei einer Routineprüfung Ende 2014. Aufgrund von Hygienemängeln verhängen sie nicht nur ein Bußgeld von 1.880 Euro, sie kritisieren auch einen weiteren Punkt: Inhaber Georg Heinrich, heute 67, kann keine Ergebnisse von Labortests vorlegen. Dazu ist er verpflichtet, auch, um Proben auf Listerien analysieren zu lassen.
In ihrem „Abschlussbericht“ zu dem Skandal an das bayerische Verbraucherschutzministerium wird die Regierung von Niederbayern, der die fachliche Aufsicht über den Landkreis Passau obliegt, im Jahr 2022 vermerken: „Der Lebensmittelunternehmer ist seinen mikrobiologischen Eigenkontrollverpflichtungen (…) nicht nachgekommen.“ Der Bericht liegt dem Autor vor. Was auch zur Geschichte gehört: Besonders viel unternehmen die Behörden nicht, um die Laboruntersuchungen durchzusetzen.
Bei einer Nachkontrolle im März 2015 stoßen die Kontrolleure erneut auf Reinigungsdefizite und bauliche Mängel. Kurz darauf, im Mai 2015, erkrankt im Landkreis Rottal-Inn eine Person an Listeriose. Es ist der erste Fall, den die Behörden später zu einem Ausbruch zusammenfassen werden. Der zweite folgt im Juni 2015 im Landkreis Altötting. Von der Infektionsquelle haben die Behörden zu diesem Zeitpunkt noch keine Ahnung.
Beim Frischdienst unternehmen die Behörden lange: nichts. Trotz der Hygieneprobleme suchen die Passauer Lebensmittelkontrolleure das Unternehmen über sechs Jahre hinweg kein einziges Mal mehr auf. Der Landkreis begründet dies mit „erheblichen personellen Engpässen“.
Vorgesehen ist dies freilich nicht. Wie oft Lebensmittelbetriebe kontrolliert werden sollen, gibt eine bundesweite Verwaltungsvorschrift vor, die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift Rahmen-Überwachung“, kurz: AVV RÜb. Die Häufigkeit der Besuche hängt ab vom Risiko, das aus Sicht der Behörden von einem Betrieb ausgeht – das soll sicherstellen, dass eine Hackfleischfabrik häufiger besucht wird als ein einfacher Kiosk. Den Frischdienst Heinrich stufte das Amt in Passau in die Risikoklasse 7 ein. Eigentlich heißt das: Alle 18 Monate soll eine Routinekontrolle erfolgen. Wenn es der Anlass erfordert – zum Beispiel bei Hygieneverstößen – auch häufiger.
Personalmängel und Krankheitsfälle in den Jahren 2016 bis 2018 hätten die Kontrolltätigkeit „erheblich“ gehemmt, erklärt ein Landkreissprecher. Von 2019 an lief es besser, dann kam der Corona-Lockdown und warf die Prüfer wieder zurück. Doch das Problem ist nicht nur eine Verkettung unglücklicher Umstände, sondern ein grundsätzliches: „Selbst bei Voll-Besetzung können nicht alle Plankontrollen fristgerecht durchgeführt werden“, räumt der Sprecher ein. Das Amt hat einfach zu wenige Stellen.
Es ist nicht so, dass der Kreis nicht versucht hätte, dies zu ändern. „Das Problem der angespannten Personalsituation in der Lebensmittelüberwachung ist dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz bekannt und wird regelmäßig in Dienstbesprechungen mit dem Ministerium von Regierungsreferenten angesprochen“, teilt die Fachaufsichtsbehörde, die Regierung Niederbayern, mit.
Tatsächlich schlugen die Beamten über Jahre hinweg immer wieder Alarm: 2015 wandte sich das Landratsamt direkt an die Landesregierung wandte. Woraufhin das Verbraucherschutzministerium darum gebeten habe, „die Prioritätenliste zur Abarbeitung von überfälligen amtlichen Kontrollen […] an die aktuelle Personalsituation anzupassen“, erklärt die Regierung Niederbayern.
Die Idee, die Personalsituation den Aufgaben anzupassen, hatte offenbar keine Chance.
Im selben Jahr kontaktierte das Passauer Amt die Bezirksregierung auch wegen der Engpässe. Und 2016 erneut, da mit der konkreten Bitte, einen Lebensmittelkontrolleur nach Passau abzuordnen. Die Regierung lehnte ab. Allenfalls zu Lasten anderer Landkreise hätte sie Personal nach Passau versetzen können, doch dort sieht es ja kaum besser aus. Neue Stellen schaffen, das ist in Bayern Sache des Gesetzgebers.
2017 meldete sich der Leiter des Veterinäramts noch einmal bei seinem Landrat, und dieser – nun informell – bei der Regierung Niederbayern. Erneut erhielt er eine Abfuhr. Ein weiterer Anlauf des Landratsamts bei der Regierung folgte 2020, ohne Erfolg.
So ähnlich geht es vielen bayerischen Behörden. Allein zwischen 2018 und Mitte 2022 gingen beim Verbraucherschutzministerium 37 Überlastungsanzeigen aus 26 weiteren Landkreisen ein. Teilweise habe man Abhilfe schaffen können, neue Stellen aber müsse eben der Landtag beschließen, erklärt das Ministerium. Zudem verweist es auf seine Strukturreform von 2018, bei der mit der Bayerischen Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) eine neue landesweite Spezialeinheit zur Kontrolle größerer Betriebe geschaffen wurde, die die Kreisämter entlasten sollte.
Vor zwei Jahren ließ das Ministerium seine Reform von externen Gutachtern evaluieren, öffentlich machte es deren Bericht aus dem Juni 2021 allerdings nie. Auch SPD-Fraktionschef Florian von Brunn bekam das Gutachten nicht auf den Tisch, mit seinen Anfragen ans Ministerium blitzte er ab. Schließlich durfte er es im Ministerium einsehen. Seiner Darstellung zufolge belegt die Analyse, dass die Strukturreform nicht die gewünschte Entlastung der Kreisbehörden gebracht habe. Zudem hake die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Behörden und es würden zu wenige Daten über die amtlichen Kontrollen erhoben, sodass die Fachaufsicht gar nicht effektiv sein könne.
Der Personalmangel in der Lebensmittelkontrolle ist kein bayerisches Phänomen. Eine Besonderheit im Freistaat aber ist, dass man das Ausmaß des Problems dort offenbar gar nicht so genau kennen möchte. Eine Berechnung des Personalbedarfs bringe „keinen durchgreifenden Mehrwert“, heißt es beim Ministerium – und eine Überprüfung, ob die Kreisbehörden die Kontrollfristen im Einzelfall einhielte, führe man nicht durch. Es ist eine der Auskünfte, die das Ministerium erst erteilt, als das Verwaltungsgericht München bereits eingeschaltet ist. Zuvor hatte es auf Anfragen nicht mehr reagiert.
Die Antwort ist bemerkenswert. Denn seit 2021 ist die Zahl der Routinekontrollen in Lebensmittelbetrieben für die Ämter bundesweit verpflichtend geregelt. Dennoch teilte das bayerische Verbraucherschutzministerium noch Ende 2022 mit: Soll-Ist-Vergleiche zu den Kontrollen lägen ihm nicht vor. Und den Regierungen der bayerischen Bezirke, die für die Fachaufsicht verantwortlich sind? „Fehlanzeige“, schreibt das Ministerium.
Man kann dies bezweifeln. In der Vergangenheit sahen sich die Behörden durchaus im Stande, ihre Kontrollrückstände gegenüber dem Landtag offenzulegen. Doch ob die Daten nur nicht genannt oder gar nicht erst erfasst werden, das Ergebnis ist dasselbe: Einer öffentlichen Kontrolle ist die Lebensmittelüberwachung entzogen.
Nach zahlreichen Nachfragen lässt das Ministerium schließlich noch ermitteln, dass die bayerischen Kreisbehörden zusammen im zwischen Januar und Oktober 2022 mehr als 135.000 Routinekontrollen hätten durchführen müssen. Die Gesamtzahl aller durchgeführten Kontrollen lag hingegen nur bei 100.000 – wobei in diesen Wert nicht nur Routinekontrollen einberechnet sind, auf die allein sich die Soll-Vorgaben beziehen, sondern auch Nachkontrollen und anlassbezogene Besuche. Die eigentliche Bilanz fiele also noch bedeutend schlechter aus.
Über die Jahre kommen weitere Listeriose-Erkrankungen hinzu: 2016 im Landkreis Deggendorf, 2017 in den Kreisen Rottal und Passau, 2018 erneut im Kreis Altötting, 2019 in Passau. Anfang 2020 gelingt es dem Robert Koch-Institut (RKI), den genetischen Fingerabdruck der Erreger zu analysieren – es stellt fest: In den sieben Fällen handelt es sich um denselben Bakterienstamm. Die RKI-Experten gehen jetzt von einem zusammenhängenden Ausbruch mit einer gemeinsamen Infektionsquelle aus. Sie geben ihm auch seinen Namen: „Ypsilon 1a“.
Im Frühjahr 2020 wird dem Ausbruch ein achter Fall zugeordnet, erneut aus dem Landkreis Passau. Lebensmittel- und Gesundheitsbehörden sind von nun an im regen Austausch, das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und das RKI, das bayerische Verbraucherschutzministerium und das LGL. Die Gesundheitsbehörden organisieren die Spurensuche in den Landkreisen: Durch Befragungen der Erkrankten versuchen sie zu ermitteln, ob es Gemeinsamkeiten zwischen den Fällen gibt, vielleicht bestimmte Lebensmittel, die mehrere Betroffene verzehrt hatten. Zum Erfolg führt das nicht.
Am 21. Juli 2021 – der neunte Listeriose-Fall war gerade bekannt geworden – sind die Passauer Lebensmittelkontrolleure wieder einmal in Ruhstorf, zur ersten Routinekontrolle beim Frischdienst Heinrich nach sechs Jahren. Ihr Bericht, der dem Autor vorliegt, umfasst ganze 55 Rechtsverstöße.
Baulich und hygienisch, so der Eindruck aus dem Protokoll, ist der Betrieb in einem bedenklichen Zustand. Die Rede ist von Rost, beschädigten Wänden und Decken, immer wieder von Verunreinigungen. Bei der „Gemüsepresse/-stanze“ fällt den Kontrolleuren ein „schwarzschimmelähnlicher Belag“ auf. Die Kartoffelproduktion wird ausgesetzt, auf weitere Maßnahmen verzichten die Amtsleute zunächst. Ob Heinrich inzwischen regelmäßig ein Labor mit Listerien-Tests beauftragt, prüfen sie zunächst nicht.
Eine Nachkontrolle folgt ein halbes Jahr später, am 19. Januar 2022. Zum Ausbruch Ypsilon 1a zählt das RKI inzwischen elf Fälle – zwei weitere aus den Landkreisen Dingolfing-Landau und Straubing-Bogen sind dazugekommen. „Der Raum befand sich insgesamt in keinem hygienischen Zustand“, halten die Kontrolleure mehrfach in ihrem Protokoll fest. Sie untersagen die Nutzung der beschädigten Karottenschälmaschine und ordnen eine Grundreinigung an.
Zwei Tage darauf fühlen sie dem Betrieb bei einer weiteren Nachkontrolle noch einmal genauer auf den Zahn. 45 Mängel listen sie dieses Mal in ihrem Protokoll auf, und nun fragen die Kontrolleure auch nach Dokumenten. Viel zu sehen bekommen sie offenbar nicht: Unterlagen über betriebliche Eigenkontrollen, Hygieneverfahren, aktuelle Untersuchungsergebnisse zur mikrobiologischen Belastung seiner Produkte – nichts davon kann Heinrich vorlegen.
Am Ende der beiden Kontrollen steht ein Bußgeldbescheid über 2.219 Euro. Doch die Produktion läuft erst einmal weiter. Amtliche Proben zur Untersuchung auf Listerien nimmt die Behörde nicht. Auch, als Bundesbehörden im Februar die Fälle Nummer 12 und 13 aus den Landkreisen Altötting und Passau dem Ausbruch „Ypsilon 1a“ zuordnen, kommt ihnen dieser Gedanke offenbar nicht. Und selbst dann nicht gleich, als in Hessen an Ostern 2022 ein anderer Listeriose-Skandal mit einem Todesfall bekannt wird, als dessen mutmaßliche Quelle ein ganz ähnliches Unternehmen gilt: ein hygienisch längst auffälliger Obst- und Gemüsebetrieb, der vorgeschnittene Ware an Krankenhausküchen geliefert hatte.
Warum führen die bayerischen Behörden nicht längst zusammen, was sie haben: Immer neue Listeriose-Fälle, einen Obst- und Gemüse-Betrieb in schlechtem hygienischem Zustand, der zudem keine aktuellen Listerienanalysen vorlegen kann?
Doch der hessische Fall löst offenbar etwas aus, wenn auch langsam. Am 3. Mai 2022 fordert der Landkreis Passau ein Spezialteam des LGL zur Unterstützung für den nächsten Besuch beim Frischdienst Heinrich an. Einen Monat später, am 2. Juni, findet die außerplanmäßige Kontrolle statt, begleitet auch von der Regierung Niederbayern, der dritten Behörde vor Ort. Erneut stoßen die Amtsleute auf eine ganze Reihe von Reinigungs- und Hygienemängeln, und dieses Mal greifen sie durch: Sie verhängen ein Produktionsverbot, ordnen abermals eine Grundreinigung an und nehmen Proben in dem Betrieb, um diese auf Listerien untersuchen zu lassen.
Offenbar hat jetzt auch der Unternehmer verstanden, dass er etwas ändern muss. Bei einer Nachkontrolle eine Woche später bemerkt der Landkreis eine verbesserte Hygienesituation. Er erlaubt Heinrich die Wiederaufnahme seiner Produktion – zu einem Zeitpunkt, zu dem die Laborergebnisse der Probenuntersuchungen noch gar nicht vorliegen. „Die Auflagen der Grundreinigung wurden erfüllt“, begründet dies ein Landkreis-Sprecher, die Hygienemängel seien beseitigt gewesen. „Nachdem dies erfolgt war, endete der Produktionsstopp.“
Sechs Tage darauf, am 15. Juni, liegen dem LGL die ersten Analysedaten vor: Vier von neun Tupferproben aus der Produktion enthalten Listerien. Anlass für ein erneutes Produktionsverbot sieht der Landkreis darin dennoch nicht: Man telefoniert mit Heinrich, bespricht eine „eingehende Reinigung und Desinfektion insbesondere der positiv getesteten Flächen“. Ein Schneidebrett soll der Betrieb „entweder entsorgen oder hobeln“, seine Würfelmaschine „auseinanderbauen und intensiv grundreinigen“. Der Betrieb aber läuft ohne Auflagen weiter.
In diesen Junitagen 2022 spitzen sich die Ereignisse zu. Am 24. Juni erhält das LGL die entscheidenden Informationen, die die beiden Stränge – den Listeriose-Ausbruch Ypsilon 1a und die Hygienemängel im Frischdienst Heinrich – verbinden: Der genetische Fingerabdruck der Keime aus dem Betrieb stimmt mit dem der bei den Bakterienisolaten der Erkrankten weitgehend überein. Für Fachleute ist dies der Hinweis, dass die mutmaßliche Quelle gefunden ist. Noch am selben Tag sperrt der Landkreis den Betrieb und ordnet eine Rücknahme der zuletzt produzierten Lebensmittel an.
In den folgenden Tagen nehmen die Behörden weitere Proben, und sie erstatten Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Am 1. Juli dann geht das LGL mit seiner Erfolgsmeldung an die Öffentlichkeit. Ein Jahr später, im Juli 2023, teilt es auf Anfrage mit, dass nachträglich noch zwei weitere Listeriose-Infektionen aus 2021 und 2022 dem Ausbruch zugeordnet wurden, womit die Zahl der Krankheitsfälle auf 15 gestiegen ist. Für den Frischedienst Heinrich geht der Betrieb gut einen Monat nach der amtlichen Schließung wieder los. Am 5. August 2022 erteilt der Landkreis nach einer Kontrolle die Freigabe dafür.
Mehr als ein Jahr danach, am 28. August 2023, musste sich Betriebsinhaber Georg Heinrich vor dem Amtsgericht Passau wegen des „vorsätzlichen Inverkehrbringens von für den Verzehr ungeeigneten Lebensmitteln” in zwei Fällen verantworten, nachdem er einen Strafbefehl der Staatsanwaltschaft nicht akzeptiert hatte. Das Urteil bringt ihm eine Geldstrafe von 110 Tagessätzen ein, 2.750 Euro.
Der Landkreis Passau kontrolliert den Frischdienst seitdem engmaschig, alle zwei bis vier Wochen. Noch mehrfach mussten „Anordnungen, Bußgelder etc.“ verhängt werden, teilt ein Sprecher mit. Regelmäßig gehen zudem amtliche Proben zur Listerienanalyse ins Labor, bei einer „Kartoffelkäse“-Probe im August 2022 wurden noch einmal Listerien vom Typ „Ypsilon 1a“ nachgewiesen – dem Sprecher zufolge weit unter den gesetzlichen Grenzwerten.
Heinrich ließ eine Anfrage unbeantwortet. Die schwerwiegendsten Vorwürfe gegen ihn waren vor dem Richterspruch bereits vom Tisch. Mit einer Verfügung vom 13. März 2023 hatte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung und der fahrlässigen Tötung eingestellt. Der sicher auf die Listeriose zurückzuführende Todesfall aus dem Jahr 2015 war ohnehin bereits verjährt. Und auch den Vorwurf der Körperverletzung mussten die Ermittler fallen lassen. Was kein Wunder ist: Für einen zweifelsfreien Nachweis hätten sie genau jene Chargen der von den Erkrankten verzehrten Lebensmittel auf Listerien hin testen lassen müssen. Aber die waren ja längst verzehrt.
Gegen Behördenverantwortliche ermittelte die Staatsanwaltschaft nicht.
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Die Recherche erschien zuerst in der ZEIT und bei ZEIT Online.
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