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Ernährungsarmut? »Fehlanzeige«

Martin Rücker

Das »suggeriert, dass Bürgerinnen und Bürger inkompetent sind«

Reicht der Regelsatz für gesunde Lebensmittel? Bei der Abstimmung ihrer Antwort auf eine Linken-Anfrage ringen sechs Ministerien um die richtigen Worte – am Ende darf das Problem Ernährungsarmut bloß nicht zu groß erscheinen. 

26. Januar 2023

Die Botschaft war unmissverständlich. Mitten im reichen Deutschland gebe es „armutsbedingte Mangelernährung und teils auch Hunger“, bilanzierte der Wissenschaftliche Beirat des Bundesernährungsministeriums (BMEL) 2020 in einem Gutachten. Knapp drei Jahre vergingen, bis mit dem Grünen Cem Özdemir ein erster Minister ähnlich deutliche Wort fand – allerdings nur dann, wenn er sich mit dem Rest der Bundesregierung nicht abstimmen musste, wie zuletzt in einem Gastbeitrag für die Welt, in dem er „Ernährungsarmut“ als Problem benannte.


Die Ampelkoalition als ganze will davon weiterhin am liebsten nichts wissen. Das belegen eindrucksvoll jene zwei Wochen im vergangenen Herbst, in denen insgesamt sechs Ministerien die Antwort auf eine Parlamentarische Anfrage der Linksfraktion abstimmten. In denen sie um politisch korrekte Formulierungen ringen und nicht wahrhaben wollen, was wissenschaftlich klar beschrieben ist. Nach einer Informationsfreiheitsanfrage liegen der taz jetzt die Unterlagen des Abstimmungsprozesses vor: Rund 50 E-Mails mit Textentwürfen und Kommentaren, die zwischen den Ministerien hin- und hergingen. Sie ermöglichen seltene Einblicke in den Maschinenraum der Ministerialbürokratie.


Es ist der 23. September 2022, als die acht Fragen in Özdemirs Ministerium eingehen. Welche Erkenntnisse die Bundesregierung über Ernährungsarmut in Deutschland habe, will die Linksfraktion wissen, und was sie dagegen unternehme. Zwei Wochen später liegt die Antwort vor. Sie überrascht: Eine „gesunderhaltende Ernährung“, argumentiert sie, sei „grundsätzlich“ auch mit wenig Geld, also mit Hartz IV und Bürgergeld möglich – einen „informierten, preisbewussten Einkauf“ vorausgesetzt. Als vermeintlichen Beleg führt die Bundesregierung ausgerechnet jenes Gutachten aus dem Jahr 2020 an – darin aber erklären 18 namhafte Wissenschaftler:innen das genaue Gegenteil. Noch lange vor der Rekordinflation hielten sie eine erhebliche „Deckungslücke“ zwischen dem im Regelsatz vorgesehenen Budget für Lebensmittel und den Kosten einer gesunden Ernährung für belegt.


„Die Bundesregierung gibt den Wissenschaftlichen Beirat nicht korrekt wieder“, ärgerte sich der Agrarwissenschaftler Harald Grethe, der dem Beratergremium seinerzeit vorsaß – spätestens da war die Sache für das BMEL peinlich. Eine Sprecherin Özdemirs räumte den „Fehler“ schließlich ein, das Ministerium entschuldigte sich bei seinem Beirat und erklärte, das falsche Zitat sei „im Rahmen der Abstimmung mit den anderen beteiligten Bundesministerien“ entstanden.


Ganz richtig ist das nicht, wie die Rekonstruktion der Abstimmung mithilfe der Dokumente aus dem BMEL zeigt.... 

> Wie welches Ministerium argumentierte und welche Passagen dann doch lieber gestrichen wurden, habe ich für die taz aufgeschrieben:


Zum Artikel auf taz.de

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