Überforderte Ämter, zu wenige Betriebskontrollen und Probennahmen: Nach umfangreicher Prüfung hat der Landesrechnungshof „Defizite“ in der hessischen Lebensmittelüberwachung bemängelt. Der Bericht liegt im Ministerium seit Monaten vor, doch noch nicht einmal der Landtag kannte ihn.
13. März 2022
Im Verbraucherschutzministerium von Priska Hinz (Grüne) liegt der rund 250-seitige Prüfbericht seit einigen Monaten vor – veröffentlicht wurde er nicht, und auch die Landtagsabgeordneten haben bisher keine Kenntnis davon. Das Dokument ist geeignet, die Kritik an der hessischen Lebensmittelkontrolle neu zu entfachen, die seit dem Wilke-Skandal 2019 immer wieder hochkocht.
Nach einer ersten Anfrage im Januar hatte der Rechnungshof eine Auskunft zu seinen Befunden noch abgelehnt. Es folgten Nachfragen, ein förmlicher Antrag und juristische Prüfungen durch die politisch unabhängige Behörde. Nun liegen mir exklusive Informationen über ihre Analyse vor.
Von Mai 2019 bis Februar 2020 hatte der Rechnungshof die hessische Veterinärverwaltung einer „landesweiten Querschnittsprüfung“ unterzogen, bis zum Sommer 2021 arbeitete er an seinem Prüfbericht. Er begutachtete Dokumente aus den Jahren 2016 bis 2019 und nahm alle Verwaltungsebenen unter die Lupe: das Verbraucherschutzministerium, die Regierungspräsidien, 12 der 26 kommunalen Veterinärämter.
Vor allem diese halten die Prüfer für deutlich überlastet. „Die Anforderungen an die Lebensmittelüberwachung erfüllten die Veterinärämter nur unzureichend“, heißt es in den mir vorliegenden Informationen. „Sie führten die vorgeschriebene Anzahl von Kontrollen und Probennahmen nicht durch. Die zu niedrige Kontrolldichte birgt das Risiko, dass lebensmittelrechtliche Verstöße unbemerkt bleiben.“
Tatsächlich fiel nach Daten des Ministeriums in den vergangenen Jahren mal jede dritte, mal jede vierte vorgeschriebene Betriebskontrolle aus – in einzelnen Kreisen noch deutlich mehr. Zu „starken Abweichungen“ kam es auch beim Abgleich der vom Hessischen Landeslabor angeforderten mit den von den Ämtern tatsächlich eingesammelten Lebensmittelproben, so der Rechnungshof. Das Verbraucherschutzministerium solle „präzisere Vorgaben“ schaffen, rät er, zudem sollten die „Ursachen für die Kontrolldefizite“ aufgeklärt werden. Die wohl dringendste Empfehlung: eine Entlastung der Veterinärämter zu.
Nach dem Wilke-Skandal hatte Verbraucherschutzministerin Hinz bereits einige Änderungen auf den Weg gebracht. Sie setzte ein neues Kontrollkonzept mit einem „Zwei-Behörden-Prinzip“ durch: Vor allem Großbetriebe, die mit tierischen Lebensmitteln umgehen, werden verstärkt gemeinsam von kommunaler Behörde und Regierungspräsidium aufgesucht. Mit seinen Vorschlägen geht der Rechnungshof nun deutlich darüber hinaus und regt eine weitergehende Zentralisierung an. „Notwendig“ sei ein gesondertes Kontrollkonzept auch für andere Großbetriebe oder spezialisierte Unternehmen, für die anstelle der Kommunen die Regierungspräsidien zuständig sein könnten. Namentlich genannt sind große Obst- und Gemüsebetriebe, Hersteller von Säuglingsnahrung, Zusatzstoffen und Nahrungsergänzungsmitteln sowie Fastfood-Ketten. Proben sollten zudem direkt vom Landeslabor und nicht mehr von den Veterinärämtern eingesammelt werten. Für Gaststättenbetriebe verlangt der Rechnungshof einen „geeigneten Sachkundenachweis“. Unter dem Namen „Hygieneführerschein“ werden derartige Konzepte bereits seit Jahren diskutiert. Bei Branchenvertretern stießen sie auf Ablehnung.
„Lebensmittelüberwachung ist eine wichtige öffentliche Aufgabe, denn es geht um nichts weniger als um die Gesundheit von uns allen“, erklärte Rechnungshof-Präsident Walter Wallmann. Er mahnt: „Land und Kommunen sind aufgefordert, die Überwachung zu verbessern.“ Auch mit mehr Personal? Mangels Grundlage fordert der Rechnungshof dies nicht explizit – jedoch bemängelt er das Fehlen jeglicher Aufgabenbeschreibungen und Personalbedarfsrechnungen, um die Zahl der benötigten Stellen überhaupt beziffern zu können.
Manuel Klein, Vizechef des Landes- wie des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure, wird konkreter. „Hessenweit brauchen wir mindestens 50 zusätzliche Stellen für Lebensmittelkontrolleure“, sagte er: „Es muss eine Personalbedarfsrechnung für jedes Amt geben und am besten bundesweit einen festgeschriebenen Stellenschlüssel, der sich an den Aufgaben orientiert. Das sollte rechtlich festgeschrieben werden. Dann kann sich kein Landrat und kein Kämmerer mehr rausreden.“
Im Fokus standen Wirtschaftlichkeit und Effizienz der gesamten hessischen Veterinärverwaltung, die die Kontrollen im Bereich Lebensmittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz verantwortet. Die Prüfer analysierten Dokumente aus den Jahren 2016 bis 2019 und führten „Erhebungen“ in Behörden auf allen drei Verwaltungsebenen durch: im Verbraucherschutzministerium, der Zentralabteilung des Innenministeriums, den Regierungspräsidien Gießen, Kassel und Darmstadt sowie in 12 von 26 kommunalen Veterinärämtern, namentlich in den Landkreisen Bergstraße, Darmstadt-Dieburg, Kassel, Marburg-Biedenkopf, Offenbach, Waldeck-Frankenberg, im Main-Kinzig- und Vogelsbergkreis sowie den Städten Darmstadt, Frankfurt, Kassel und Offenbach. Auch die Zusammenarbeit der Ämter mit der Task-Force Lebensmittelsicherheit – eine beim Regierungspräsidium Darmstadt angesiedelte, landesweite Spezialeinheit – und dem Landesbetrieb Hessisches Landeslabor nahm der Rechnungshof unter die Lupe.
Der Rechnungshof sieht vor allem die kommunalen Ämter nicht in der Lage, ihren Aufgaben nachzukommen. „Mehr als jede vierte Betriebskontrolle fiel aus“, heißt es mit Blick auf Zahlen für das Jahr 2018. Auch sammeln die Ämter weniger Proben ein, als vom Landeslabor angefordert. Es bestehe das „Risiko, dass lebensmittelrechtliche Verstöße unbemerkt bleiben“.
Im Jahr 2020 fielen hessenweit vier von zehn planmäßigen Lebensmittelkontrollen aus. Die Soll-„Erfüllungsquote“ rutschte unter die 60-Prozent-Marke. Verbraucherschutzministerin Priska Hinz führte dies neben den personellen Engpässen auf die Corona-Pandemie zurück, weil Kontrolleure zeitweise nicht in die Betriebe ausrückten. Allerdings lag die Erfüllungsquote auch in den Vorjahren nicht wesentlich höher und war zudem rückläufig: 2018 führten die Veterinärämter den Angaben von Hinz zufolge 72 Prozent der vorgeschriebenen Lebensmittelkontrollen durch, 2019 waren es 69 Prozent. Die lokalen Unterschiede sind groß: Während 2020 nur ein einziges Amt (der Main-Taunus-Kreis) sein Soll erfüllte, schafften neun Behörden nicht einmal die Hälfte der vorgeschriebenen Betriebskontrollen. Schlusslichter waren der Landkreis Darmstadt-Dieburg mit gerade einmal 18,7 Prozent und der Odenwaldkreis mit 24 Prozent. In den Vorjahren hatten zumindest jeweils sechs Ämter ihre Planvorgaben erfüllt.
Die Landkreise und kreisfreien Städte erhalten zwar Landesmittel für ihre Kontrollarbeit, entscheiden jedoch selbst über die Stellenplanung und Ausstattung ihrer Ämter. Im Landtag mahnte Ministerin Hinz im vergangenen Sommer mehr Personal in den Kommunen an und behielt sich im Einzelfall Weisungen im Rahmen ihrer Fachaufsicht vor. Zudem könne sie Innenminister Peter Beuth bitten, die Kommunalaufsicht zu aktivieren, wenn Ämter ihren Verpflichtungen nicht nachkämen. Sie gehe jedoch davon aus, dass sich auch ohne solche Eingriffe „die Zahlen bessern“. Damit könnte sie Recht behalten – nicht unbedingt jedoch aufgrund so vieler neuer Stellen. Vielmehr trat 2021 eine neue, bundesweite Verwaltungsvorschrift in Kraft, die weniger Routinekontrollen in den Betrieben vorsieht als bisher. Das Soll wurde also reduziert, wie Hinz bestätigte – die Folge: Die selbe Zahl an Kontrollen führt in den künftigen Statistiken zu einer höheren Erfüllungsquote.
Neben einer Aufklärung der „Ursachen für die Kontrolldefizite“ allen voran eine Entlastung der kommunalen Veterinärämter. „Mittelfristig“ sollten Lebensmittelproben nicht mehr von ihnen, sondern direkt vom Hessischen Landeslabor eingesammelt werden. Für Groß- und Spezialbetriebe sowie Fastfood-Ketten sei ein spezielles „Kontrollkonzept“ notwendig, hier könnten die Regierungspräsidien die Kontrollen von den Kommunen übernehmen. Diese fordert der Rechnungshof auf, die Eigenkontrollsysteme der Unternehmen intensiver zu überwachen. Dazu sollen sie auch die gesetzliche Möglichkeit erhalten, Unterlagen über Eigenkontrollen jederzeit standardmäßig bei den Betrieben anfordern zu könnten.
Auch bei den Tierschutzkontrollen sieht der Rechnungshof Handlungsbedarf. Er schlägt vor, die Überprüfung von Zirkussen, die Spezialwissen erfordere und wegen der Ortswechsel ständig in neue Zuständigkeitsbereiche falle, von den kommunalen Ämtern auf ein Schwerpunkt-Regierungspräsidium zu übertragen.
Auf umgerechnet fast 400 Vollzeitstellen belief sich der Personalbestand der Veterinärämter im Jahr 2018 – neun Prozent mehr als zum Zeitpunkt der Kommunalisierung 2005. Nach seiner Prüfung entstanden zudem weitere Stellen, berichtet der Rechnungshof. Zugleich stieg jedoch auch der Umfang der gesetzlichen Aufgaben. Wie viele Stellen fehlen, dazu trifft der Rechnungshof in den der FR vorliegenden Informationen keine Aussage. Auch nicht dazu, ob das Budget der hessischen Veterinärverwaltung von jährlich im Schnitt 68,6 Millionen Euro ausreicht. Vielmehr bemängeln die Prüfer, dass weder ein Aufgabenkatalog noch eine Personalbedarfsrechnung für die Ämter vorliege. Wie viel Geld und Personal erforderlich sind, um die Aufgaben zu erfüllen, könne daher überhaupt „nicht nachvollzogen werden“. Entsprechende Analysen fordert der Rechnungshof nun ein, auch als Grundlage für die 2025 anstehende Evaluierung des Kommunalisierungsgesetzes.
Drei Todesfälle werden mit Listerien-belasteten Wilke-Produkten in Verbindung gebracht. Die Öffentlichkeit erfuhr von dem Skandal im Oktober 2019, als der Landkreis Waldeck-Frankenberg die als großflächig verkeimt eingestufte Wurstfabrik in Twistetal schloss. Zu diesem Zeitpunkt waren die Prüfer des Rechnungshofes bereits bei der Arbeit – mit den Abläufen des Wilke-Falls befassten sie sich nicht mehr. Einige ihrer Kritikpunkte decken sich jedoch mit den Erfahrungen aus dem Skandal. So ist bekannt, dass das Veterinäramt des Kreises bereits über längere Zeiträume hinweg immer wieder Hygienemängel bei Wilke festgestellt hatte. Dennoch fanden dort weniger Kontrollen statt als vorgesehen. Insgesamt erreichte Waldeck-Frankenberg auch bis einschließlich 2020 nicht einmal die Hälfte seiner Soll-Kontrollen.
Zum Wilke-Fall trugen nicht nur Versäumnisse des Kontrollamtes Waldeck-Frankenberg bei, sondern auch Fehler in der Fachaufsicht, die den Regierungspräsidien und dem Verbraucherschutzministerium obliegt. Nach dem Skandal setzte Ministerin Hinz Änderungen durch, um die Fachaufsicht zu stärken. Sie griffen erst nach der Prüfung des Rechnungshofes und konnten insofern nicht bewertet werden. Ein im März 2020 neu aufgelegtes Kontrollkonzept sieht vermehrt gemeinsame Kontrollen der kommunalen Ämter mit den Regierungspräsidien vor. Hinz stellte zusätzliches Personal im Ministerium ein und schuf acht neue Stellen bei der Task-Force Lebensmittelsicherheit und in den Regierungspräsidien. Zudem erweiterte sie die Berichtspflichten der Landkreise und ließ für die Fachaufsicht die Möglichkeit einrichten, auf die Datenbank der Kommunen zuzugreifen.
Kaum. Die personelle Lage der Ämter ist unverändert kritisch. Mit seinen Vorschlägen geht der Rechnungshof zudem deutlich über die bereits ergriffenen Maßnahmen hinaus, wenn er zum Beispiel eine stärkere Zentralisierung anregt und Kompetenzen von den Kommunen auf Regierungspräsidien oder das Landeslabor verlagern will. Nicht zuletzt zeigen neue Fälle, welche Probleme auch weiterhin bestehen. So berichtete der Hessische Rundfunk erst vor wenigen Monaten über „eklatante Hygienemängel“ in der Rewe-Fleischfabrik Wilhelm Brandenburg in Frankfurt. Das städtische Ordnungsamt habe Probleme in dem Großbetrieb über Jahre hinweg gekannt, aber nicht abstellen können. Wie die FR erfuhr, sind Einsätze der Task-Force Lebensmittelsicherheit zudem die Ausnahme: Im Jahr 2020 nahm sie auf Anforderung der Veterinärämter 12-mal, 2021 20-mal an Betriebskontrollen teil.
Als „unabdingbar“ bezeichnet der Rechnungshof eine bessere „Überwachung der betrieblichen Eigenkontrollsysteme“. Ein neues Gesetz soll es den Ämtern erlauben, Firmenunterlagen „jederzeit standardmäßig“ von den Betrieben anzufordern die Dokumentenkontrolle damit zeitlich von den Vor-Ort-Kontrollen zu entkoppeln, die in der Regel unangekündigt erfolgen müssen. Für die Unternehmen könnte das mit höheren Aufwänden für die Dokumentation einhergehen. Ebenfalls „unerlässlich“ sei es, „im Gaststättenbetrieb einen geeigneten Sachkundenachweis“ einzuführen – offenbar eine Art „Hygieneführerschein“ als Voraussetzung für den Betrieb einer Gaststätte. Das Konzept ist nicht neu, die Idee dahinter: Je höher die Kompetenz der Unternehmer, umso geringer der Kontrollaufwand für die Behörden. Diese klagen seit Jahren darüber, dass Gastronomen zunehmend Fachwissen in Hygienefragen fehle, teilweise auch die Sprachkompetenz, um gesetzliche Vorgaben zu verstehen – statt als Kontrolleure agieren die Amtsleute dann als eine Art Unternehmensberater. Der Vorschlag zu Diskussionen führen: Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga befürwortet zwar umfassendere Sachkundenachweise, lehnt einen spezifischen „Hygieneführerschein“, noch dazu beschränkt auf das Gaststättengewerbe, jedoch strikt ab. Dafür ist der hessische Verband der Lebensmittelkontrolleure. Nach eigenen Angaben hatte er bereits vor einigen Wochen an Ministerin Hinz geschrieben und die Einführung eines Sachkundenachweises für die Gastronomie gefordert. Bisher habe er jedoch noch nicht einmal eine Antwort erhalten.
Die Verbraucherzentralen fordern eine vollständige „Entkommunalisierung“ der Lebensmittelüberwachung. Anstelle von städtischen und Kreisämter sollten zentrale Landesbehörden die Betriebe kontrollieren, um den langen, oft sogar internationalen Lieferketten besser gerecht zu werden. Seit Jahren in der Diskussion ist zudem eine Veröffentlichung der amtlichen Kontrollergebnisse. Vorbild ist Dänemark, wo die Prüfberichte seit rund 20 Jahren an allen Ladentüren von Bäckereien oder Restaurants aushängen und mit „Smiley“-Gesichtern bildlich erklären, wie gut es in dem Betrieb bei den jüngsten Kontrollen um die Hygiene bestellt war. Anders als Deutschland konnte Dänemark so die Zahl der Beanstandungen deutlich reduzieren, was auch die Ämter entlastet: Je sauberer die Betriebe, umso weniger Kontrollen sind nötig. Zuletzt forderte auch der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen der Bundesregierung die Einführung eines solchen Transparenzsystems, weil Unternehmen damit „einen wirksamen Anreiz“ erhielten, „sich an das Lebensmittelrecht zu halten und sauber zu produzieren.“ Im hessischen Landtag antwortete Ministerin Hinz auf Fragen zu einem solchen Modell zuletzt ausweichend. Sie verwies auf frühere Beratungen in der Verbraucherschutzministerkonferenz, bei denen Hessen immer für ein solches Modell votiert habe. Das stimmt, doch seitdem hat sich die rechtliche Lage geändert: Ein Transparenzgesetz muss mittlerweile nicht mehr im Bund, sondern kann auf Landesebene eingeführt werden. Berlin hat dies als erstes Bundesland bereits verabschiedet. In der Hauptstadt sollen von 2023 an nicht Smileys, aber Farbbarometer die Kontrollergebnisse an den Ladentüren ausweisen. Hinz‘ Partei, die Grünen, fordert ein solches System in Wahlprogrammen zwar seit Jahren, eine entsprechende Initiative gibt es in Hessen bislang jedoch nicht.
Die politisch Verantwortlichen können von dem Prüfbericht kaum überrascht sein. Seit Jahren bemängeln Rechnungshöfe und Gutachter immer wieder Schwachstellen im Kontrollsystem. Die Kritikpunkte sind dabei stets ähnlich: Kompetenzgerangel zwischen den vielen (bundesweit mehr als 400) beteiligten Behörden, zu wenig Personal und Defizite beim Vollzug. Bereits 2011 wies der Bundesrechnungshof auf „wesentliche Lücken“ hin und nannte die Ausstattung der Ämter „unzureichend“– er regte an, mehr Personal über Gebühren direkt von den Betrieben finanzieren zu lassen. Das geschieht bis heute kaum. So decken in Hessen die Gebühren nur rund ein Zehntel der Kosten für das Veterinärwesen.
Seitdem folgten zahlreiche Gutachten und Audits mit ähnlicher Rückmeldung. 2019 und 2020 ließ die Europäische Kommission die deutsche Lebensmittelüberwachung in der Rindfleisch- und Fischproduktion überwachen und vermisste dabei jegliche Garantie für wirksame Kontrollen. Zum Teil stellte sie gravierende Hygienemängel fest – in Betrieben, die zuvor regelmäßig von den kommunalen Ämtern kontrolliert worden waren. Ähnlich deutlich fiel ein EU-Audit der deutschen Tierschutzkontrollen aus. Diese seien „nicht dazu geeignet, messbare Änderungen zu bewirken“. Auch hier wird weniger kontrolliert als vorgeschrieben, stellte der Bayerische Oberste Rechnungshof 2016 fest. Fünf Jahre später zeigte er sich regelrecht genervt, wie folgenlos sein Bericht blieb. Er habe der verantwortlichen Politik „dringend ans Herz gelegt“, die Kontrolldefizite zu beheben – „wie sich nun zeigte: vergeblich.“ Ob der Bericht des Hessischen Rechnungshofes Konsequenzen hat, erscheint also offen.
Dieser Text erschien zunächst in der Frankfurter Rundschau, ausführlich hier.
Das Foto entstammt dem Bericht der hessischen Task-Force Lebensmittelsicherheit über ihre Betriebsbesichtigung in der früheren Wurstfabrik Wilke im Oktober 2019.
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