7. Dezember 2021
Der Tierschutz hat in Deutschland Verfassungsrang. Artikel 20a des Grundgesetzes verankert ihn als Staatsziel – erreicht wird es nicht. Vom Töten männlicher Eintagsküken über Kastenstände und die betäubungslose Ferkelkastration bis hin zur Anbindehaltung von Milchkühen: Immer wieder legitimierten und legitimieren Gesetze tierschutzwidrige Praktiken. Doch auch dort, wo gesetzliche Regelungen zum Schutz der Nutztiere bestehen, gibt es ein Problem: Es fehlt an Kontrollen und an der Durchsetzung dieser Regelungen.
Vom Bundeslandwirtschaftsministerium habe ich mithilfe eines Informationsfreiheitsantrags Daten zu den Tierschutzkontrollen in den Jahren 2018 und 2019 erhalten. Sie zeigen: Von den mehr als 500.000 erfassten kontrollpflichtigen Betrieben haben die Behörden in Deutschland in jedem Jahr nur gut 32.000 kontrolliert – eine Quote von knapp mehr als 6 Prozent. Rein statistisch findet in jedem Betrieb damit nur alle gut 16 Jahre eine Tierschutz-Prüfung statt.
Je nach Tierart ist die Kontrollquote noch deutlich niedriger. So schauten die Ämter im Jahr 2019 in gerade einmal 3,5 Prozent der Betriebe mit Masthähnchen nach dem Tierschutz, bei Gänse- und Entenhalter:innen war die Quote mit 3 und 2,4 Prozent am geringsten. Die Betriebe können über lange Zeit nahezu sicher sein, keinen Besuch der Veterinärämter in den Ställen empfangen zu müssen.
Trotz der niedrigen Kontrollquoten ist die Zahl der Betriebe mit Tierschutzverstößen hoch. Über die beiden Jahre hinweg beanstandeten die Behörden etwa jeden vierten kontrollierten Betrieb (22 Prozent in 2019, 28 Prozent in 2018). Ein erschreckend hoher Wert, selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Ämter risikobasiert kontrollieren, also eher dort einen Besuch abstatten, wo es bereits Hinweise auf Mängel gibt.
Besonders auffällig sind die Zahlen für die Schweinehaltungsbetriebe. Hier schauen die Kontrolleur:innen etwas häufiger hin als im Durschnitt – jedes Jahr besuchten sie um die acht Prozent der Unternehmen.
Weit überdurchschnittlich viele Schweinehalter:innen mussten sie beanstanden. 2018 wiesen 31,4 Prozent, im Jahr 2019 sogar 32,8 Prozent der kontrollierten Unternehmen Mängel beim Tierschutz auf. Allein in der Rinderhaltung war die Beanstandungsquote im Jahr 2019 noch höher (siehe unten).
Bei den anderen Tierarten liegen die Beanstandungsquoten in der Regel auf niedrigerem – wenngleich nicht niedrigen – Niveau. Das Ausmaß des Problems veranschaulichen die absoluten Zahlen. 13.000 Tierschutzverstöße registrierten die Ämter im Jahr 2019. Zu viele Tiere auf zu wenig Platz, Verstümmelungen, fehlerhafte Dokumentation: Unter diese Zahl fallen mehr und weniger dramatische Vergehen. In mehr als 1.800 Fällen waren sie so schwerwiegend, dass die Ämter sofort ein Ordnungswidrigkeits- oder Strafverfahren einleiteten (2018 war dies mehr als 1.500 Mal der Fall). Ganz offensichtlich fehlt es den Ämtern am Personal häufiger hinzusehen und damit die Voraussetzungen zu schaffen, die Zahl der Tierschutzverstöße zu reduzieren.
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